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1. Kiruna 2013 |
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2. Riesengebirge 1990 |
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Grandiose nordische Weiten - mit Schlittenhunden auf dem KungsledenTour 2013 von Thomas mit Claudi, Sibby, Jürgen, Kathrin und 29 HuskiesEs ist ein bisschen wie nach Hause kommen. Thomas steht in Stiefeln am Flughafen, es ist kalt in Kiruna. In der Nacht bevor wir ankamen, waren es unter 30 Grad. Ob es wohl Polarlichter gab? Kann keiner sagen, es war allen zu kalt. Wir fahren zur Musher´s Lodge, Sibby und Claudi begrüßen uns, Vesper ist schon gerichtet. Wir unterhalten uns sofort angeregt: Über die letzten Langstreckenrennen, den Yukon Quest und den Iditarod, Aily Zirkle, Allan Moore, Jeff King, Lance Mackey, DeeDee Jonroe, Martin Buser, die erfolgreichen Rookies dieses Jahres, die kleinen Geschichten rund um die Rennen, Tricks und Kniffe. Alles Themen, die sonst niemanden interessieren. Aber hier in dieser Runde, nördlich vom Polarkreis, hat jeder etwas beizutragen. Beim Frühstück in Leipzig im Hotel hatte ich meinen Kollegen begeistert vom Zieleinlauf von Aily Zirkle an diesem Morgen erzählt, die den Iditarod dieses Jahr immerhin als Zweite beendet hat … und in höflich-interessierte Gesichter geschaut. Wenn ich erzählt hätte, wie Stuttgart gegen Dortmund gespielt hat, wäre es auf größeres Interesse gestoßen. Ich habe mein Hundeteam kennengelernt. Sie sind sehr brav gewesen beim Einschirren, fast schon ein bisschen unheimlich. Jan hat mir jeden einzelnen Hund mit Namen übergeben: Össi – scheu, dunkle Huskyzeichnung, läuft in der Regel links und nach außen gedreht. Pfotenkontrolle und Einschirren tipptopp, nur schmusen oder streicheln mag sie nicht so. Feli – eine hellgraue Zeichnung, breiter Kopf, zutraulich und verschmust. Lässt sich sehr gerne durchkraulen. Nach zwei Tagen hat sie keine Lust mehr, im Lead zu laufen und lässt sich gerne gegen Cella austauschen. Als Teamdog arbeitet sie ganz verlässlich mit. Es gibt sie, die Herzenshunde. Cella – ein liebenswertes Geschöpf vom ersten Moment an. Hellbraune Zeichnung, schönes Gesicht mit blauen Augen. Cella schmiegt sich an und kuschelt, lässt sich genussvoll streicheln und kraulen. Cella kann ich sogar auf den Arm nehmen – sie ist mein Hundeglück pur. Dazu noch eine meiner Leistungsträgerinnen, vorne läuft sie wie eine Eins. Jim ist ein scheuer, braun-schwarzer, kleiner, drahtiger Rüde. Er läuft direkt vor dem Schlitten im „Wheel“ – mit krummem Rücken, was seine Lebenseinstellung zu spiegeln scheint. Beim Laufen wippen seine Stehohren immer parallel vor und zurück. Faszinierend. Jim möchte nicht angefasst werden. Er schreit bei der Pfotenkontrolle und windet sich aus meinem Griff. Zwei Mal schnappt er sogar mutig nach mir. Wir üben mit viel Geduld und ohne in dem für ihn offensichtlich unangenehmen Körperkontakt nachzulassen und ab dem vierten Tag lässt er die Pfotenkontrolle stoisch-brav über sich ergehen. Geht doch! Bico ist ein großer, kräftiger Rüde mit schwarzem, kurzem Fell. Er ist einer meiner Wheeldogs. Er ist nicht so mein Typ – kurzhaarige Hunde sprechen mich einfach nicht so an. Das ist nicht rational, aber meine Realität. Bico wirkt recht unabhängig und freigeistig, versucht möglichst viel selbst zu bestimmen. Ein Dickkopf, der Jim ganz schön herumschubst, was dieser aber klaglos mit sich machen lässt. Bico ist aber nicht unnahbar, was ich erst vermutet hatte, sondern durchaus menschenbezogen und verschmust. Er kommt gerne abends für ein paar Streicheleinheiten aus seiner Hütte. Nikkaluokta – Singistugorna34 km, 800 m, mindestens 20 Grad minus Zuerst einmal eine Autofahrt mit allen Hunden im Anhänger, 10 Elchsichtungen und 4 Autos später sind wir in Nikkaluokta. 6 Elche am Fluss in Nikkaluokta, zwei überqueren eindrucksvoll die Straße und zwei stehen im Wald. In Nikkaluokta starten wir direkt auf dem Kungsleden, seine nördlichste Etappe. Wenn alles klappt, schaffen wir es in den nächsten Tagen bis nach Abisko. Aber aller Anfang ist schwer. Jürgen und ich holen unsere Hunde aus den Transportboxen und schirren gemeinsam ein. Das klappt reibungslos bis zur letzten Box. Cella und (Bono), von uns „Houdini“ der Ausreißer getauft, sind dort drin. Jürgen hat Bono eigentlich am Halsband, meint aber ich hätte ihn und lässt ihn los. Dieser Hund zögert keinen Moment und zieht fröhlich, uns eine lange Nase zeigend, seines Weges Richtung Fjällstation. Jürgen läuft schnell hinter ihm her, um ihn einzufangen. Houdini alias Bono macht einen gepflegten kleinen Husky-Ausflug, pinkelt u. a. an das Hinterrad eines Taxis und lässt sich dann netterweise wieder einfangen. Der Taxifahrer ist wütend und schimpft schwedisch, Jürgen versteht kein Wort und tut freundlich-desinteressiert. Endlich spannt Jürgen auch Bono ein. Derweil hat X-Ray seine Neckline zerbissen, Bono muss noch seine zwei Booties kriegen. Das ist ein bisschen chaotisch, dauert einfach seine Zeit und kostet Nerven. Die anderen sind schon lange fertig, Thomas ist bereits außer Sichtweite und wir wissen nicht mal, wo wir hinfahren sollen. Claudi ist auch schon losgefahren. Sibby wartet noch, allerdings sehen wir ihr an, dass sie dringend losmöchte. Es ist kein Spaß mit einer Horde aufgeregter Hunde, die nichts als rennen möchten, in der Startposition zu stehen. Noch dazu mit einer läufigen Hündin und einem potenten Rüden im Lead! Kurz nach unserem Start hat Jürgen gleich wieder einen längeren Stopp. Ich merke es, halte auch, kann aber nicht helfen, denn ich kann mein Gespann nicht nach hinten verlassen. Lange kniet Jürgen neben seinem Hund, der sich wohl aus dem Geschirr gewurschtelt hat. Er muss ihn komplett neu einschirren. Als wir dann endlich wieder losfahren, ist es still und wir sind ganz allein. Wir fahren an Abzweigungen vorbei, von denen wir nicht wissen, ob wir sie hätten nehmen müssen. Meine zwei Leithunde wirken nicht so helle, sie laufen zwar zielstrebig, aber ich kann nur HOFFEN, dass sie den Spuren der anderen folgen. Ab und an liegt als eine Art Hoffnungsschimmer Hundescheiße am Wegesrand. Nach einer kleinen Ewigkeit haben wir wieder zu Sibby und Claudi aufgeschlossen und tauchen ein in eine phantastische Szenerie. Der Weg windet sich malerisch durch ein beeindruckendes Tal, rechts und links in einiger Entfernung eindrucksvolle Gebirgszüge. Durch den Schnee sind die Berge scharf gezeichnet und heben sich deutlich vom blauen Himmel ab. Die Luft ist kalt und klar, es ist ein heller, sonniger Tag. Zum Teil ist der Trail durch den Wind wie leergefegt vom Schnee. Steine stehen heraus. Das macht das Fahren nicht leicht. Trotzdem ist es wunderschön. Ich übe Schrägfahrten, genießen die Aussicht und freue mich, dass ich endlich mal wieder unterwegs bin mit Hunden. Wir passieren Motorschlitten, andere Hundeteams, Pulkafahrer, Schilangläufer, die vor lauter Eifrigkeit, uns aus dem Weg zu gehen, selbst umfallen. Stetig geht es bergauf. Leider bocken meine Hunde bei jeder kleinen Steigung. Sie markieren, meine Leithündinnen drehen sich um und nehmen den Druck aus der Zugleine. Das kann ja heiter werden, wenn es morgen den Pass hinauf geht. Mir ist mulmig zu Mute. Als wir an der Singi-Hütte ankommen, bin ich überrascht, dass wir schon da sind. Und sehr froh. Zwar bin ich noch nicht so erschöpft, aber als ich dann drinnen beim Feuer sitze und Tee trinke, merke ich, dass meine Energiereserven erschöpft sind. Ich bin halt nicht gesund. Die anderen werkeln herum, holen Wasser, machen Holz – und ich erhole mich von den Strapazen und bin froh, erstmal nicht wieder raus zu müssen. Mittlerweile hat es angefangen zu stürmen. Für einen Klogang ziehen wir dicke Winterschuhe, winddichte Überhosen über der langen Unterhose, dicke Pullover, Daunenjacke, Mütze, Handschuhe und Stirnlampe an. Es sind nur etwa 30 m zum Plumpsklo, aber die haben es in sich bei mindestens minus 20 Grad und einem Sturm, der einem die Tür aus der Hand drückt! Wasserholen ist bei diesen Temperaturen auch ungewöhnlich. Sibby und Claudi hatten sich gleich aufgemacht. Beeindruckend dynamisch ziehen sie los mit großem Kanister und Schnur. Sie kommen nach etwa 45 Minuten zurück und sind voller Geschichten. Natürlich mussten sie das Eisloch wieder aufmachen, weil es zugefroren war. Dann haben sie mit dem Eimer, der daneben hing, Wasser geschöpft und wollten es durch einen Trichter in den Kanister füllen. Das funktionierte aber nicht, weil der Trichter sofort zugefroren war. Erst haben sie ihn wieder aufgeschlagen, sich dann aber doch bald entschlossen, das Wasser mit Augenmaß in den Kanister zu füllen. Zuschauer gab es auch – einen wunderbaren, stattlichen Fuchs mit dickem Pelz, der unweit von ihnen entlanglief und neugierig nach den beiden Wasserholerinnen schaute. Das Fenster zu dem Stakeout der Hunde friert nicht auf, egal wie warm es drinnen ist. Der Wind pfeift um das Haus, der Sturm ist laut und zeigt uns, dass es grimmig kalt ist. Jürgen und ich haben unseren Hunden, die bis auf drei keine Mäntel mitbekommen haben, Schneelöcher gegraben, die sie sofort annehmen. Ist das wirklich gesund, die Tiere bei diesen Bedingungen draußen zu lassen? Wir hoffen, dass keiner gesundheitliche Schäden davonträgt. Am liebsten würden wir sie alle mit reinnehmen. Die einzige, der diese Ehre zuteil wird, ist Seffi, die mittlerweile so läufig ist, dass sie besser unter menschlichem Schutz steht. Singihütte – Alesjaurehütte38 km, mind. 600 Höhenmeter, über den Tjäktjapass Morgens stürmt es immer noch. Es hat minus 15 Grad, minus 30 Grad im Wind. Wir wollten in´s Gebirge – und das haben wir jetzt davon. Typisches Winterwetter für diese Region. Es stürmt so stark, dass … Ja, wie so etwas beschreiben? Dass es Claudi die Tür aus der Hand reißt, wenn sie diese vorsichtig mit einer Hand öffnet. Dass einem auf dem kurzen Weg zum Klo die Wangen vor Kälte stechen. Der Wind hat die Schneelöcher, in denen gestern Abend noch die Hunde vor dem Wind geschützt lagen, komplett zugeweht. Löcher? Nie gewesen. Er verweht die Fußspuren im harten, kalten Schnee innerhalb kürzester Zeit. Er pfeift und tönt um das Haus und um das Klohäuschen, dass wir um jedes dünne Brettchen froh sind, dass uns vor den Naturgewalten schützt. Der Schnee stiebt in Massen die Bergketten entlang. Thomas´ roter Schlitten steht direkt vor dem nicht zugefrorenen Fenster und da ist es besonders gut zu sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich bei dem Wetter Hunde einschirren und Schlitten fahren soll. Und dann auch noch die Hunde zum Laufen ermuntern. Wenn mein Team auf dem Weg zum Tjäktjapass heute schlapp macht, habe ich ein echtes Problem - zu lösen natürlich! Aber wir haben Glück. Bereits beim Füttern klart das Wetter auf, wir sehen erste Fetzen blauen Himmels. Der Wind lässt nach. Es ist ein „Geschenk des Himmels“ im wahrsten Sinne. Wir sind alle erleichtert und begeistert. Wenn wir heute einigermaßen gutes Wetter haben für unsere Tagesetappe, dann wird es viel einfacher sein. Beim Packen liegt Anspannung in der Luft. Denn es ist klar – abhängig vom Wetter und den Trailbedingungen kann es sehr anstrengend werden. Dieser Tag ist für mich geprägt von einer grandiosen Landschaft und dem ersten Pass, den ich mit einem Schlittenhundeteam überwinde. Allerdings wäre ich fast vor dieser Herausforderung geflohen – denn Jürgen und ich nahmen einen falschen Abzweig und waren schon fleißig auf dem Weg nach Norwegen bevor Thomas uns wieder einfangen konnte. Na ja, in Norwegen soll es ja auch tolle Hunde geben. Vor dem Tjäktjapass machen wir nochmal eine Lunchpause, dann starten wir wieder und es geht erst sanft dann immer steiler werdend hinauf. Viel mehr beschäftigt mich allerdings das „Hinab“, es ist gelegentlich angedeutet worden, dass es sehr steil sei. Mir steckt der Respekt vor dieser Abfahrt in den Knochen. Bergauf läuft es ganz gut. Zwar bremsen meine Hunde immer wieder mal abrupt, lassen sich aber jedes Mal wieder ermuntern, zu ziehen. Ich schiebe den Schlitten hinter ihnen. Mit kleinen Schritten nähern wir uns dem Pass. Leider laufen meine Hunde keine Kehren, sondern wählen den direkten Weg. Das ist sehr steil und völlig ohne Trail wühle ich mich im Tiefschnee hinter dem Schlitten den Berg hoch. An einer Stelle steckt der Schlitten fast senkrecht im Schnee, landet dann auch noch in einem Loch, ich selbst bin bis zu den Oberschenkeln im Schnee versunken. Ruhe bewahren, Team ermuntern, doch nochmal mit vereinten Kräften zu ziehen und zu drücken und schon sind wir wieder einen Schritt weiter und dem Pass näher. Von da an schaffen wir es in einem Zug bis oben. Dort bleibt keine Zeit für eine Verschnaufpause, ich kann gerade noch meine Jacke zumachen, dann geht es den Berg auch schon wieder hinunter. Das Steilstück ist wirklich sehr steil, aber wir können die Abfahrt gerade runter durch den Tiefschnee machen und müssen nicht die vereisten Kehren fahren. Der Schnee ist phantastisch griffig, wir kommen sicher und ohne Sturz im flacheren Teil des Trails an. Geschafft – unser erster „richtiger Pass“ mit Huskies. Unsere Aufgregung war aber durchaus gerechtfertigt, ganz einfach war es nicht selbst unter diesen optimalen Bedingungen. Der Weg zur Alesjaurehütte ist noch weit, der Trail zum Teil sehr weich. Thomas erklärt uns nachher, seine Hunde seien leider nicht immer dem festen Trail gefolgt, sondern zum Teil daneben gelaufen – und wir aufgereiht wie an einer Perlenschnur hinterher. Schwierig ist es nicht mehr, aber viele Schrägfahrten und aufgrund der Länge anstrengend. Dann ist unser Etappenziel, die Alesjaurehütte, schon von Weitem zu sehen. Die Hütten liegen oberhalb einer Flussbiegung des Alesjärvi auf einem Felsen. Für die nächsten zwei Tage werden wir hier bleiben. Hier gibt es auch die schönste Sauna der Welt, das kleine Häuschen steht auf einem Felsen, der dem Felsvorsprung mit den Haupthütten etwas vorgelagert ist. Unser abendlicher Saunaausflug ist dann auch recht abenteuerlich. Wir drei Frauen stiefeln in voller Bergmontur mit Stirnlampen los, durch die Hütten hindurch, den steilen Felshang hinunter. Auf der anderen Seite den Saunafelsen wieder steil hinauf. Das Saunahäuschen hat einen warmen Umkleideraum, einen Waschraum mit heißem Wasserkessel und einen kleinen Saunaraum mit einem schönen Fenster Richtung Samendorf. Während wir saunieren, sehen wir Polarlichter, sogar ich kann es ohne Brille erahnen. Auf dem Rückweg von der Sauna werden die Polarlichter wieder schöner und wir holen Jürgen und Thomas aus der warmen Stube zum Staunen in den Schnee. Es ist eine ganz andere Stimmung als letztes Jahr auf dem See, wo wir ganz alleine waren. So ein Polarlicht spricht sich herum, einige Menschen kommen aus den Hütten und versinken in den Anblick des Himmelsspektakels. Die Polarlichter wandern über die Berge dahin, zaubern tolle Farbspiele und lassen die Berge scherenschnittförmig erscheinen. Ein erhabenes Gefühl, dem Himmel und seinen Wundern so nah zu sein. Alesjaure-Abiskohütte und zurückEin Tagesausflug von 42 km Wir fahren nach Abisko durch eine Winter-Traumlandschaft. Wenn wir nicht wüssten, dass es real ist, es ist kaum zu glauben. Bis jetzt war jeder Tag schön, aber dieser ist ein Geschenk. Strahlender Sonnenschein, windstill, viel Schnee, etwa minus 15 Grad – optimalere Bedingungen gibt es nicht für einen Tagesausflug mit Schlittenhunden. Der Trail führt über einen zugefrorenen See, er ist fest, der Schlitten gleitet mühelos dahin. Ich habe einen Fuß leicht auf der Bremsmatte und genieße die königliche Aussicht, hier macht der Name des Weges wirklich Sinn: Das Tal ist weit, sonnendurchflutet, in der Mitte der Trail, rechts und links ziehen die Berge vorbei, jeder sieht anders aus, ist einzigartig und auf eine unwirkliche Art schön. Auf der ebenen Fläche im Tal hat der Wind bizarre Muster in den Schnee gemalt. Sinterförmige Terrassen, Verwerfungen, der Schnee glitzert in der Sonne. Sonne und Wind formen den Schnee zu einem Schneerelief, einem Kunstwerk. Wir fahren durch ein Schneegemälde. Das Herz singt, alles ist leicht, das Leben schön und die Hunde haben sichtlich Spaß zu laufen. Kurz vor Abisko geht es rasant den Berg hinunter zum Fluss, in Kurven schwingen wir uns vom Fjäll hinab, der Schnee ist fest und griffig, es lässt sich sehr gut bremsen. Pause in einer der hübschen, neuen STF-Hütten, dann abenteuerlicher Start im Wäldchen. Ich fahre von Baum zu Baum, Jürgen wählt die Variante, mit Schlitten in der ersten Kurve zu stürzen, behält sein Team aber voll im Griff. Und schon sind wir wieder auf dem Weg zurück auf dem großen Fluss, der Winterautobahn hier oben im Norden. Die steile Steigung auf´s Fjäll lässt sich leichter bewältigen als wir alle dachten. Mein Team läuft mittlerweile disziplinierter und versucht nicht mehr, mir an jeder Steigung eine lange Nase zu zeigen. Lohn von gefühlten 30 Korrekturen täglich: Anker setzen, vorjoggen, jeweiligen Hund korrigieren, wieder zurückjoggen, Anker wieder ziehen und weiter fahren. Ich pedale bergauf mit, wenn sie einwandfrei laufen im Rhythmus mit meinem Team. Ab und an bleibt halt doch einer der Hunde stehen oder mobbt seinen Nachbarn oder … Dann ist von Rhythmus nichts mehr zu spüren. Es ist ein wenig so, als hätte ich fünf Einzelkämpfer vor dem Schlitten. Die Rückfahrt scheint länger zu dauern, es geht ja auch bergauf. Aber der Weg ist eine Augenweide: Wir fahren in die tief stehende Sonne, die Konturen des Schnees sind schärfer gezeichnet als auf dem Hinweg. Gefrorenes Wasser, ein Meer aus Schneeflocken, erstarrt zu einer Pracht des Abwechslungsreichtums. Mal sinterförmige Schneeterrassen mit scharfen Kanten und Abbrüchen, mal mit runden Formen, mal sind es hügelige Schneeverblasungen. Es glitzert gelb, blau, weiß, in allen Schattierungen. Und über dieses Meer aus Schnee, über das wir unsere Schlitten steuern wie Kanus, erheben sich rechts und links majestätisch die Berge, die sicherlich großen Anteil an der Namensgebung dieses Wanderweges „Kungsleden – Königsweg“ hatten. Unzweifelhaft sind sie auch ausschlaggebend für seinen Ruf, der schönste Wanderweg Schwedens und einer der schönsten weltweit zu sein. Ich gleite dahin, von meinen schwedischen Huskies gezogen und kann es nicht fassen, dass ich diesen Moment in seiner Perfektion erleben darf. Kurz vor Alesjaure kommen wir an einem Samendorf vorbei, das im Schein der langsam untergehenden Sonne mit seinen bunten Holzhäusern aussieht wie das Dorf einer Modelleisenbahn. Die bunten Holzhäuser strahlen in dem intensiven Licht der Abendsonne um die Wette, hin und wieder steht ein Tipi neben einem der Häuser, was der Szenerie einen exotischen Charakter verleiht. Holz wird auch nicht gestapelt, sondern die dünnen Baumstämme werden aneinander aufgestellt und bilden somit die Form eines Tipis. Das sieht alles aus der Ferne sehr malerisch und einladend aus – nur leider sind die Schornsteine kalt. Kurz darauf parken wir unsere Teams wieder in Alesjaure unterhalb des Felsvorsprungs auf dem die STF-Hütten liegen. Die Hunde sind hier von zwei Seiten geschützt durch die großen Felsen, vor allem der Wind vom Fluss wird so gebrochen. Für uns ist der Weg zum Füttern dafür recht anstrengend. Zurück nach Nikkaluokta durch das VistastalStürmisch, unberechenbares Wetter, 54 km Was ist für mich die Faszination? Hundeschlittenfahren – es ist draußen und mit Hunden, damit sind schon mal zwei wichtige Voraussetzungen für Spaß und Erholung erfüllt. Jeder Hund ist anders, das Äußere ist offensichtlich, aber vor allem charakterlich unterscheiden sie sich. Es gibt scheue, arbeitssame, lauffreudige, durchsetzungsstarke, temperamentvolle, verspielte, selbstbewusste, verschmuste, melancholische … Hunde. Die Kunst ist, beim Hundeschlittenfahren diesen Haufen unterschiedlicher Charakter zu einem Team zu formen. Einen gemeinsamen Laufrhythmus zu finden, den alle Teammitglieder lange Zeit durchhalten können. Die Kunst ist auch, ohne Druck für Disziplin zu sorgen und als Mensch einen Rahmen zu schaffen, der allen Beteiligten eine stressfreie Reise ermöglicht. Jedem Hund den Platz und Raum zu geben, an dem er sich wohl fühlt und wo er sicher arbeiten kann. Die Kunst ist, weder einzelne Hunde noch das ganze Team zu überfordern. Ich hatte am zweiten Tag im Gebirge die erfahrene Feli, die im Lead nicht richtig arbeitete, immer wieder stehen blieb und sich langmütig umschaute, gegen die einjährige Cella getauscht. Die Erlaubnis hatte ich am ersten Tag von Jan bekommen – und nun musste ich ein Tempo wählen, das die einjährige Cella nicht überforderte. Wenn sie bei mir den Spaß am Laufen verlor, wer weiß, wie lange sie brauchen würde, ihn wiederzufinden. Gegebenenfalls nie mehr – also hatte ich sie immer fest im Blick und drosselte das Tempo so, dass Cella locker Trab laufen konnte. Dadurch war die Lücke zwischen Sibby und mir meist groß, aber das vergrößerte ja auch den Spaß, oft hatte ich das Gefühl, mit Jürgen, der hinter mir fuhr, allein unterwegs zu sein. Und Cella lief freudig vom ersten bis zum letzten Tag im Lead, offensichtlich genoss sie die Stellung im Team und hatte sichtlich Spaß. Und Feli fühlte sich wohl in der Teamdog-Position und arbeitete viel besser mit. Meine beiden Wheeldogs Jim und Bico sorgten meist auch dafür, dass die Zugleinie straff blieb. Bico, der größte Hund meines Teams, testete allerdings aus, was ich zu sagen hatte. Die ersten drei Tage wich er jedes Mal, wenn es bergauf oder –ab ging aus, um zu markieren, wechselte zu Jim auf die andere Seite der Zugleine, biss ihn mit viel Krawall in´s Ohr oder aber er drehte sich um und blieb einfach stehen. Mit Bico, Össi und Feli lernte ich Anker setzen und joggen. Alles hat auch seine gute Seite. Kleine Steigung, gerade will ich pedalen, bleibt der Schlitten stehen, weil Össi und Feli anhalten, um zu pieseln. Anker in den Schnee geworfen, Spurt nach vorne, beide an den Ohren gezogen, und dann wieder auf den Schlitten und weiter. Jürgen amüsierte sich köstlich. Aber es wurde in kleinen Schritten immer besser und am letzten Tag sind sie erst gegen Ende der Strecke, als sie müde waren, an einer Steigung ausgestiegen. Vergeben und vergessen! Die Mühe hatte sich also gelohnt, denn so ganz nebenbei habe ich auch gelernt, auf einen vorbeifahrenden Schlitten aufzuspringen. Denn die in der Eile gesetzten Anker halten nun mal nicht immer … Der Fokus lag ja nicht im Ankern, sondern in der rechtzeitigen Korrektur der Hunde: Die Kunst des Schlittenhundefahrens ist, die stehenden Hunde beim Pinkeln zu erwischen. Heute brechen wir früh auf, wir haben einen langen Weg vor uns. Es ist zur Routine geworden im Lauf der Woche, Sibby, Jürgen und Thomas füttern und versorgen die Hunde, Claudi und ich spülen, räumen die Küche auf und packen unsere gemeinsamen Sachen zusammen. Wir sind beide krank und haushalten lieber etwas mit unserer Kraft für die Schlittenhundefahrten. Wir starten in Richtung des Samendorfes, das gestern so schön im Abendlicht herübergrüßte. Es ist überraschend schnell erreicht, der Trail windet sich am Rand des Dorfes den Berg hoch und verlässt es wieder rechter Hand in Richtung Osten. Ich pedale bergauf mit. Leicht abfallende Abschnitte wechseln sich mit Anstiegen ab, insgesamt gewinnen wir wieder einmal schnell an Höhe. Rechts und links von uns sind gigantische Felsmassive, schroffe, dunkle und steile Berge, ganz anders als die runden Gebirgsketten gestern in Richtung Abisko. Sibby verschwindet plötzlich vor mir, das sichere Zeichen, das eine sehr steile Abfahrt kommt. Schon bin ich selbst an der Stelle, fahre an einem gefrorenen Wasserfall, von dem nichts außer Schnee zu sehen ist, steil in die Tiefe. Die Bremsen greifen gut im Schnee, ich fühle mich sicher und mein Team trabt fröhlich und zuversichtlich fast senkrecht in die Tiefe. Vielleicht ist es ja ganz gut, dass der Wasserfall nicht zu sehen ist, denn noch mehr Dramatik hätte zu Verzagtheit geführt. So stehe ich mit beiden Füßen fest auf der Bremsmatte und lenke den Schlitten und mein Team die Abfahrt hinunter, punktuell bremse ich auch mal mit der Kralle, damit wir nicht zu schnell werden. Weiter geht es durch eine verzauberte, schroffe Gebirgslandschaft. Felsen liegen verstreut entlang unseres Weges in dem Tal, als hätten Riesen gerade mit ihnen um ihr Glück gewürfelt. Wir fahren über Wasser – zum Glück in gefrorenem Zustand. Es ist eine zu Schnee und Eis erstarrte Sumpf- und Flusslandschaft, auf der wir fahren. Blank geblasene Eisplatten leuchten hellblau und grün zwischen dem Schnee hervor, wir queren eine nach der anderen, die Hundepfoten machen Patsch-Geräusche auf dem Eis: Patsch, patsch, patsch, patsch, patsch, patsch … und dann sind sie wieder geräuschlos auf dem weichen Schnee unterwegs. Auf dem Eis bremse ich mit beiden Füßen auf der Bremsmatte, hinterher erfahre ich, dass es gut wäre, mit der Kralle auf Eis zu bremsen. Aber auch mein Team rutscht nicht hilflos vor dem Schlitten herum, das Tempo passt. Mit straffer Zugleine bewegen sich die Hunde sicher über die Eisflächen. Diese sind uneben, eine Momentaufnahme des Zeitpunktes, an dem das Wasser bis zum Frühjahr seinen Zustand wechselte und erstarrte. Da wo vorher Sumpf war, sind Gräser und Grasbüschel eingefroren. Der Trail ist sehr abwechslungsreich, von der Fahrtechnik her der anspruchsvollste unserer viertägigen Gebirgstour. Er windet sich mal durch kleine Wäldchen mit Kurven, mal geht es im Freiflug mit kurzer Sturzeinlage eine drei Meter tiefe Steilwand hinab, dann pedalen wir ein Stück einen Hügel hoch, fahren auf der anderen Seiten in Kurven wieder hinunter. Wir passieren Motorschlitten, fahren immer wieder Streckenabschnitte auf dem Fluss, haben lange, ermüdende Schrägfahrten an den Sumpfhängen, bei denen wir teilweise gar nicht verhindern können, dass unser Schlitten abwärts tanzt. Schrägfahrten sind … vor allem anstrengend. Ich bin froh um jeden Muskel, den ich vorher trainiert habe. Ich stehe mit beiden Füßen auf der bergseitigen Kufe, und verwinde den Schlitten mit beiden Händen nach oben. Da die größte Last auf dem Bein zur Bergseite ist, schmerzt dieses irgendwann. Die Schrägfahrt aber ist noch lange nicht zu Ende. Und jede noch so kleine Entlastung der schmerzenden Muskeln führt dazu, dass der Schlitten unweigerlich ein Stück hangabwärts schlittert. Nun ist es noch kraftraubender, ihn aus dieser Position wieder hangaufwärts zu bewegen. Und es schmerzt noch mehr – wieder der entsprechende Muskel. Die beste Strategie ist, die Schmerzen einfach zu ignorieren und in der ursprünglichen Position zu beharren. Und dabei die Hoffnung nicht zu verlieren, dass auch diese Schrägfahrt irgendwann aufhört, das Gelände wieder flacher wird und ich mich wieder aufrichten kann und ohne Rutschpartie mein Gewicht wieder gleichmäßig verlagern kann. Am Ende dieses Tages folgt eine lange Fahrt auf dem breiten Fluss, endlich kommen die Häuser von Nikkaluokta in Sicht. Und schon parken wir unsere Teams vor der Fjällstation, herzen die Hunde und warten bei einem kleinen Imbiss auf unseren Menschen- und Hundetransport zurück nach Jukkasjärvi bei Kiruna. Wir sind heute ohne Pause gefahren, da es so windig war, dass wir ohne Bewegung schnell gefroren hätten. Zum Glück hatten wir heute Rückenwind, der den Schnee vor uns herblies, so dass wir den Trail oft gar nicht sehen konnten. Wind in dieser Stärke von vorne oder von der Seite – das wäre richtig eklig geworden. Diese Tour hat den Namen „Kungsleden“ sehr wohl verdient. Von Anfang bis Ende Glück mit dem Wetter, genau zu den richtigen Zeitpunkten hat es aufgeklart. Dennoch hatten wir auch Sturm und minus 20 Grad in den Bergen – eine Erfahrung, die wir vier noch nicht gemacht hatten. Es war einfach perfekt. Was bleibt und uns in den wiederkehrenden Alltag begleiten wird, ist die Erinnerung an die Hunde, die Berge und unsere Gruppe. Erfolgreich haben wir die Herausforderungen im Team gemeistert – und haben mit 29 Alaskan Huskies den Kebnekaise umrundet. Von Kathrin Kaschura |
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Damals, mein 1. Musherjahr: Ausfahrt ins Riesengebirge im März 199029. März 1990: Der Schnee im Bayrischen Wald neigt sich dem Ende zu. Aber nach Auskunft von Jan soll es im Riesengebirge noch genügend haben, um ein paar Tage auf dem Schlitten zu verbringen. Wie üblich hab ich das Visum zu spät beantragt, so
daß ich nicht über Bayrisch Eisenstein fahren kann, dafür darf ich
zur Belohnung die 140 km nach Waidhaus fahren, dort bekommt man das
Visum an der Grenze. Aber noch davor meldet mein treuer VW Bus namens
Turbo - Susi Durst an, einmal seitens der Benzinanzeige (erwartet)
und zweitens seitens der Ölanzeige (weniger erwartet), dessen Lämpchen
flackert munter im Takt zu Led Zeppelins Moby Dick". Nach
der schnellen, jedoch etatfressenden Beseitigung dieser kleinen Probleme
erscheint das nächste ein klein wenig widerspenstiger in Form der
tschechischen Grenze. Schon nach 45 kurzweiligen Minuten und 63.-
Deutschmark weniger bin ich auf dem Weg nach Pilsen. Die vielen PS
- starken Ost - LKWs senken
den Stundenschnitt drastisch unter die 60 km/h - Marke, so daß es
in Prag schon dunkelt. Irgendwie finde ich zufällig die günstigste Route durch die Stadt. In meiner Euphorie den Klauen der Stadt entronnen
zu sein und in Kenntnis des Weiterweges finde ich mich plötzlich am
Ende der Ausbaustraße wieder und dabei wollte ich doch auf die Autobahn.
Also kehrt marsch und nochmals von vorne. Zu allem Überdruß flackert
jetzt auch wieder das Öllämpchen, diesmal zu Hänschen Weiss´ Zigeunermusik.
In der Dunkelheit macht sich das besonders gut. Na, ja, die letzten
100 km nach Vrchlabi wirds schon noch gehen, bei der Erfahrung
die der Motor schon hat, sicherlich kein Problem. Endlich wieder freie
Bahn, so bis 21°° Uhr müßte ich wohl bei Jan sein. Doch plötzlich
ist alles finster,quietschende Bremsen, knapp vor einer Böschung komme
ich zum stehen. Strom weg, aber warum? Irgendwas hat sich in den Stromfluß
gezwängt. Doch alles suchen ist vergeblich. Die Batterie ist o.k.,
die Reservebatterie auch, aber trotzdem kein Licht, kein Radio (sniff)
und kein Öllämpchen (hehe). Nichts, und jetzt? Ich stehe 15km vor
Vrchlabi und nichts geht mehr. Im wahrsten Sinne des Wortes zappenduster.
Viel Verkehr ist hier auch nicht. Erstmal Stake - out und die Hunde
raus. Am Sonntag dann das gleiche grausame Schönwetter.
Unerbittlich zwingt und die Sonne zum Aufstehen. Während wir uns noch
räkeln kommt Ivan Kobr mit seinem Riesenhund Ganek vorbei. Seines
Zeichens Tschechischer Meister im Lastenziehen hat er kein Problem
auch Ivan hierher zu ziehen. Ivan ist begeisterter Skiläufer, Bergsteiger,
Fotograf und führt die Racekbaude bei Pec pod Snezkou. Er ist gerade
unterwegs um Fotos für einen Kalender zu machen. Der Tagesablauf ist
daher schon festgelegt. Fotogene Strecken möglichst in Tuchfühlung
abzufahren, mit viel Stop and Go damit Ivan fotografieren kann. Die
ausgewählten Strecken sind wirklich sehr fotogen: enge Pfade im Wald,
sehr wellig mit engen Kurven und zu allem Überfluß einige nur schlittenbreite
Brücken, die die Wendigkeit meines Toboggans auf eine harte Probe
stellen. Nur einmal muß ich in den Bach, als meine Wuffels knapp hinter
Jan abkürzen und ich samt Schlitten die Böschung hinabschlittere. Die weitere Heimreise verlief erstaunlicherweise problemlos und so kam ich kurz nach Mitternacht wohlbehalten wieder im Bayrischen Wald an. © Thomas Gut, 1990 Anmerkung des Autors: Der Wald um unser Blockhütte existiert nicht mehr, hier hat der Borkenkäfer ganze Arbeit geleistet. Die beschriebenen Routen liegen innerhalb des Nationalparkgebiets und dürfen seit einigen Jahren nicht mehr befahren werden. |
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